Diesmal bin ich vorbereitet, nur kurz noch einmal die Checkliste durchgehen:
Handy – aufgeladen
Kaffee –frisch gebrüht
Kalte Getränke- Jo
Gebäck und ein bisschen Obst- Is da
Schaumstoffkissen zur Dekubitusprophylaxe- sehr wichtig, denn das hier wird länger dauern.
Dazu noch im Zwiebellook gekleidet, die Katzen gefüttert und nahe der Toilette niedergelassen.
Was mich so akribisch hat vorgehen lassen?
Heute melde ich meinem Telefon und Netzanbieter eine Störung,
bzw. heute habe ich intensiven Kontakt zu einer Warteschleife.
Ich weiß das, denn ich bin ein über lange Jahre traumatisiertes Opfer von Warteschleifen.
Ich kenne jede Melodie, die irgendwo in einer Warteschleife gespielt wird, von „Money Money Money“ bei meiner Hausbank über „Taxman“ beim Finanzamt bis hin zu „For your eyes only“ beim Augenzentrum.
Ich könnte sie alle mitsingen, wenn ich wollte.
Will ich aber nicht.
Warteschleifen sind verschwendete Lebenszeit, sie sollen dich mürbe machen, sollen dich in den Wahnsinn treiben, dadurch dass sie dir immer wieder fröhlich mitteilen, dass angeblich der nächste freie Mitarbeiter für dich da ist.
Aber wer von uns ist schon frei?
Ich sah zu, wie die Jahreszeiten wechselten, das Laub sich bunt färbte und –hui- von den Bäumen geweht wurde, während ich in einer Warteschleife hing, damals als es noch Bäume gab.
Ich glaube es war der Anruf beim Bund zum Schutz der heimischen Wälder und in der Warteschleife knarzte Louis Armstrong: „I see trees of green, red roses too…“
Ihr glaubt ich übertreibe???
Bevor ich meinen absolut überflüssigen Vertrag bei Premiere gekündigt habe, hatte ich Haare.
Dann kam die Warteschleife, danach hieß Premiere Sky und meine Haare…
Ach seht selbst.
Kennt ihr das auch?
Irgendwann schwört man, dass man sich nur noch drei Mal den Warteschleifenzyklus anhören wird, also „Freude schöner Götter Funken“ auf einem Casiokeyboard der ersten Stunde gespielt, gefolgt von einem „Bitte warten Sie“, das auch bei der 3112. Wiederholung weder freundlich noch abweisend klingt, sondern lediglich desinteressiert und menschenverachtend. Und dann sind diese drei Male vorbei und du bist überzeugt, jetzt könnte es jeden Moment passieren und Kevin Müller, der universelle Callcentermitarbeiter meldet sich mit den Worten: „Guten Tag, mein Name ist Kevin Müller, was kann ich für sie tun?“ Und dann passiert es doch nicht und du bleibst weiter in der Leitung, wie ein Warteschleifenjunkie, der niemals befriedigt sein wird: „I can’t get no Satisfaction“
Aber du hast es probiert, ja du hast es probiert, du hast es probiert, du hast es probiert.
Ich träume von Warteschleifen und ich sage euch, es sind keine glücklichen Träume, dann wache ich auf und habe das Gefühl, ein überdimensioniertes Telefon hockt raubtierhaft auf meiner Brust und säuselt: „RUF-MICH-AN“, nur um mich danach hämisch und laut auszulachen und mir „Always look on the bright side of life“ als Tinnitus ins Ohr zu pflanzen.
Und dann beim nächsten Mal in der Realität, du weißt, du wirst niemals Frieden finden, wenn du diesen einen lebenswichtigen Anruf nicht machst wird es noch schlimmer:
Nach Stunden vergeblichen Wartens geht doch tatsächlich jemand dran und du weißt nicht mehr, ob du ein Abo kündigen wolltest, einen Termin beim Gynäkologen machen oder für den Reifenwechsel, ja du weißt nicht mal ob von Winter auf Sommerreifen oder umgekehrt, wie auch, du hast seit Wochen kein Tageslicht mehr gesehen.
Dann fällt es dir ein, aber du bekommst nur noch ein jämmerliches Krächzen zustande, weil deine Stimmbänder durch das endlose Schweigen verödet sind.
Halstabletten müssen noch auf meine Checkliste, außerdem schreibe ich: „ Jede Stunde Stimmübungen“ und „heutiges Anliegen, Störung melden, Internet weg, wo soll ich suchen?“
Ok, ich bin vorbereitet, habe heute und morgen Urlaub genommen und tippe die Nummer ein. Ist nicht mein erster Versuch der Kontaktaufnahme, Internet ist bei uns öfter mal weg.
Ich weiß daher, dass mich bei dieser Nummer „Don’t worry, be happy“ durch den Tag begleiten wird.
Don’t worry am A….
Es klingelt einmal,
es klingelt zweimal
„Guten Tag, mein Name ist Kevin Müller, was kann ich für Sie tun?“
Vor Schreck drücke ich auf den roten Hörer
Was bildest du dir eigentlich ein, Mensch?
Hast gedacht, du bekommst mich einfach so mit deiner Klatsche!
Weit gefehlt…
Ich bin schneller als du!
Ich bin schlauer als du!
Und außerdem bin ich Legion!
Also warum lässt du mich nicht einfach meinen Job tun, Mensch?
Ach!
Lästig bin ich dir also?
Ja das ist mal wieder typisch Mensch, Mensch!
Alles was DIR lästig ist, darfst DU getrost an die Wand klatschen.
Was sagst du?
Eklig sei ich?
Weil?
Achso!
Weil ich erst auf der Hundewurst gespeist habe und dann auf deiner Currywurst?
Teilen ist wohl nicht so dein Ding?
Wieder typisch.
Hundewurst ist eklig, sagst du?
Hast du sie denn schon gekostet?
Aha!
Ich schon!
Schmeckt gar nicht mal so anders als Currywurst.
Beides lecker.
Diese menschliche Arroganz.
Wie bitte?
Ich übertrüge Krankheiten.
Hör mal Freundchen.
Das bekommt ihr auch ohne mich hin.
Ich sag nur: CORONA
MIR macht es jedenfalls nichts aus, wenn ich Schuppentier esse.
Oder Flughund.
Nicht mal, wenn er übers Mindesthaltbarkeitsdatum ist.
Die Pest, sagst du?
Mensch, google mal:
Flöhe und Ratten waren das, keine Fliegen.
Auch typisch Mensch:
Wenn ich‘s nicht genau weiß, behaupte ich halt irgendwas, irgendeiner wird’s schon glauben. Und wenn’s dann noch im Internet steht…
Keine Querdenker bei uns Fliegen.
Aber warte es nur ab.
Meinesgleichen wird es noch geben, wenn deinesgleichen –uuuh: politisch unkorrekt, aber das Wortspiel kann ich mir nicht entgehen lassen- längst ein Fliegenschiss der Geschichte ist.
Wenn ich wollte, könnte ich ohnehin jederzeit die Weltherrschaft an mich reißen, da könntest du mit deiner Klatsche klatschen, wie du wolltest, Mensch.
Will ich aber nicht.
Keinerlei Ambitionen.
Essen und Poppen, das ist mein Ding.
Und deshalb willst du mich ja auch zerklatschen.
Neidisch bist du, weil du bei mir siehst, wie einfach das Leben sein kann.
Also, leg die Klatsche weg und denk einfach mal ein paar Minuten drüber nach.
Ich geh derweil essen.
Oder das andere.
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