Eine umjubelte Premiere
06.05.2012 | 14:54 Uhr
Das Konzept integrativer Theaterarbeit ging auf.
Lüdenscheid.„Ja, mit dem Nähstübchen, das tut mir leid. Da können wir als Behörde keine Rücksicht drauf nehmen. Dann muss sich die Inhaberin eben ein anderes Ladenlokal suchen!“
An seinem Job findet Wrobel, dienstbeflissener Beamter und Muttersöhnchen, im neuen KiT-Stück „Prêt-à-Paula – Eine Alltagsklamotte“ wenig Gefallen.
Einerseits muss er den Abriss des vom Hausschwamm befallenen Hauses Römerstraße 2, in dem Paulas Nähstübchen Dreh- und Angelpunkt des ganzen Viertels ist, in die Wege leiten.
Andererseits tut es ihm in der Seele weh, dass „Mama“ dann bald keine Schneiderin mehr hat.
Wie’s ausging, das Gerangel um das schöne, marode Haus, erfuhren Theatergänger am Freitagabend in der Kulturwerkstatt Alte Schule bei der umjubelten Premiere der neuen KiT-Produktion.
Nach Shakespeares „Romeo und Julia“, Sartres „Das Spiel ist aus“ und „Hans & Greta“ stellte Einrichtungsleiter Thomas Wewers (Regie) ein fantasievolles, von A bis Z selbst entwickeltes Theaterstück des Konzepts integrativer Theaterarbeit (KiT) in Aussicht.
„Knubbelig eng“ war’s bei der Premiere.
„Wir wollten heute Abend keinen wegschicken“, freute sich Wewers über ein restlos ausverkauftes Haus.
Mitten hinein ins Alltagsleben entführte die „Alltagsklamotte“ um Paula und ihren kleinen Nähladen, erzählt in eindringlichen Bildern mit Worten und Gesang.
Poetische Episoden
Unterschiedliche Menschen mit vielfältigen Anliegen gingen in dem kleinen Laden, durch eine Umkleide, Kleider „von der Stange“ und einen großen Arbeitstisch als solcher gekennzeichnet, ein und aus. Für die einen hatte Paula alias Michaela Dötsch ein offenes Ohr, anderen half sie aus der Verlegenheit. Die Nachricht vom Abriss des Hauses schlug wie eine Bombe ein.
Amüsante, kuriose, experimentelle und poetische Episoden schob das zehnköpfige Ensemble – bestehend aus Anne Beinlich, André Müller, Andreas Götte, Bea Dellermann, Horst Schröder, Kirstin Stephan, Marnie Cathelin, Michaela Dötsch, Petra Kara und Tanja Menz – in die fortlaufende Handlung ein.
Mal ließen die Darsteller in ihr Innerstes blicken: die Finanzbeamtin, die nach Feierabend Party macht, die Verkäuferin, die mit ihren Pfunden kämpft, oder die verwitwete Frankreich-Rückkehrerin, die die Einsamkeit plagt.
Mal machten Gerüchte die Runde: „Psst, psst…haben Sie schon gehört?“
Anderes geriet clownesk und drollig oder eindringlich wie die in Zeitlupe „gedrehte“ Szene, als sich alle von ihren Zwängen (Folien) befreiten.
Klasse - „Spiel mir das Lied vom Tod“ ließ grüßen - war der geheime Reibach zwischen Wrobel (Horst Schröder) und Paulas lange verschollener, reicher Schwester Isolde von Protz (Petra Kara) inszeniert.
Auf dem Laufsteg, in Paulas frecher, extravaganter Mode, machte das gesamte Ensemble eine gute Figur. Als Rettung für den kleinen Nähladen war die Modenschau, um die sich im Vorfeld Teufel und Engel in Paulas Kopf stritten, gedacht.
Die Rettung kam anders als gedacht, auf dramatische, recht traurige Weise.
Für Licht und Ton sorgte Alexander Kaiser.
Monika Salzmann